Zum Hauptinhalt springen

Binnenschifferseelsorge


Die Binnenschifferseelsorge gehört seit jeher zu den zentralen Aufgaben der Flussschifferkirche. Warum das so ist und was wir da eigentlich machen schildern wir gern hier.

Die Binnenschifffahrt - wie geht es dort zu?

Die Binnenschifffahrt spielt im Hamburger Hafen eine große Rolle. Sie ist ein Teil der Transport-Infrastruktur; Bahn, Schiff (See- und Binnenschifffahrt) und Straße. Von der Politik und der Gesellschaft wird die Binnenschifffahrt meist kaum beachtet und sie hat keine kräftige Lobby. Das ist auch deshalb bedauerlich, weil die Binnenschiffe die Bahn und die Straßen entlasten und um ein vielfaches umweltfreundlicher sind als LKWs.

Die Besatzungen stehen im Hamburger Hafen in der Regel unter Druck: Zeitpläne müssen eingehalten werden. Die Gezeiten und sich verändernde Strömungsverhältnisse, sowie viel Schiffsverkehr sind echte Herausforderungen. Die Fahrtrouten und die Ladung werden von Reedern und Befrachtern vergeben – und können häufig nur kurzfristig geplant werden.

Je nach Schiffslänge sind 2-3 Personen an Bord und tags und auch nachts im Einsatz. Alle sind sehr auf ein gutes Miteinander angewiesen. Meist treffen wir bei unseren Besuchen Deutsche und Polen an, auch Tschechen und Niederländer und viele andere Nationen der Welt sind vertreten. 

Die Liegeplätze für Binnenschiffe im Hamburger Hafen sind oft weit abgelegen und Verbindungen zur Stadt aufwendig oder gar nicht möglich. So bleiben die Besatzungen meist an Bord in ihrer schwimmenden Wohnung.

Hier setzen wir als Flussschifferkirche („Flusi“) mit unserer Binnenschifferseelsorge ein Zeichen!

Wieso kommt die Flusi längsseits - was macht sie da?!

Wöchentlich fahren wir zu den Liegeplätzen und gehen längsseits. 

An Bord unserer Barkasse sind in der Regel drei ehrenamtliche Mitarbeitende: ein/e Schiffsführer:in, ein/e Festmacher:in, sowie ein/e Seelsorger:in, manchmal auch liebevoll „Schnacker“ genannt. 

Wir suchen den direkten Kontakt zu den Besatzungen. Es geht darum, den Menschen unterschiedlichster Herkunft und Konfession ein offenes Ohr zu schenken. Unsere Willkommens-Geste ist ein wertschätzendes „Herzliches Willkommen“ im Hamburger Hafen. Sie beinhaltet die Begegnung von Mensch zu Mensch und eine Begrüßungs-Tüte mit einem Apfel aus dem Alten Land, etwas Schokolade sowie Informationen in verschiedenen Sprachen.  

Auch in zwei anderen deutschen Häfen gibt es kleine Schiffe, mit denen Seelsorgende zu den Binnenschiffen fahren. Mit ihnen sind wir im Austausch. Als Kirche im Hafen besitzt die Flusi nicht nur das Kirchenschiff, sondern auch die Barkasse „Johann Hinrich Wichern“, um ihre aufsuchende Arbeit im Hamburger Hafen machen zu können.

Barkasse 4 20210729

 

 

Unsere Geschichte

Die Barkasse trägt den Namen des Hamburger Theologen, Johann Hinrich Wichern.  Nachdem er in jungen Jahren zunächst in Hamburg, dann auch in ganz Deutschland die Arbeit mit Verarmten als kirchliche Pflicht anmahnte und auch organisierte, gründete er auch die Deutsche Seemannsmission und die Flussschiffermission. 1870 entsandte er erstmals einen Diakon für diesen Dienst in den Hafen. 

In der Weimarer Republik wurde die Arbeit über die Verkündigung hinaus auch politischer. 

Nachdem im 2. Weltkrieg die Arbeit eingestellt werden musste, wurde sie 1948 erneut aufgebaut.

Prägend war Diakon Giering, der etwa 2 Jahrzehnte lang diese Arbeit aufbaute und gestaltete. Zunächst war sehr bedeutsam für die Arbeit, dass ein Großteil der in Hamburg liegenden Binnenschiffe von Geflüchteten bewohnt wurden. 

Spätestens ab den 1970er Jahren veränderte sich der Hamburger Hafen und auch die Binnenschifffahrt immer schneller. Schiffe wurden größer, die Besatzungszusammensetzung änderte sich und die Liegezeiten der Schiffe verkürzte sich massiv.

Die Binnenschifferseelsorge verlagerte sich wieder zunehmend auf aufsuchende Arbeit in Form von Bordbesuchen mit der eigenen Barkasse. Bis 2007 gab es dafür seitens der Kirche entsandte, hauptamtliche Seelsorger.

Nach der Auflösung der Ev.-Luth. Binnenschiffergemeinde, 2007, durch den Kirchenkreis Hamburg-Ost, wurde die Binnenschifferseelsorge erneut umgebaut und findet seither durch ein ehrenamtliches Team statt.

Bis heute nehmen wir mit diesem Dienst Johann Hinrich Wichern beim Wort: Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, muss die Kirche zu den Menschen kommen.

Unsere Haltung

Wir wollen eine positive Begrüßungskultur im Hafen mitprägen. Herkunft, Glaube, Anschauung und Geschlechtlichkeit unserer Gesprächspartner:innen spielen dabei für uns keine Rolle. 

Wir kommen mit offenem Ohr und ohne Erwartungen. Ob ein Gespräch zustande kommt und worüber gesprochen wird, darüber entscheidet unser Gegenüber.

Wir wollen dazu beitragen, dass Anliegen von Besatzungen gehört werden. Dafür benötigen wir Netzwerke. 

Wir müssen uns stets den sich verändernden Themen und Arbeitswelten der Binnenschiff-Besatzungen im Hamburger Hafen anpassen, um unseren diakonischen Dienst weiterhin wirksam gestalten zu können. Dazu gehört auch, dass wir darauf eingehen, dass die Besatzungen immer internationaler zusammengesetzt sind und dass ein Großteil der Angetroffenen aus Katholischer Tradition stammen.

Als Flussschifferkirche glauben wir, dass Gott Menschen in ihrer Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit liebevoll geschaffen hat.

Wir glauben, dass Glaube, Gebet und Segen wirksam sein können. 

Wir glauben, dass eine ehrliche, herzliche Begegnung von Mensch zu Mensch eine spirituelle und bewegende Wirkung haben kann.

Diese Vorstellungen leiten uns bei unserem Handeln, Planen und Reflektieren, während wir gleichzeitig bestrebt sind, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Aus der Arbeit

„Wenn man Freude an der Arbeit hat, dann ist auch alles andere prima.“ Er bedankte sich am Schluss für das Gespräch. Er war das erste Mal seit langem in HH und kannte uns vorher nicht, daher habe ich kurz die Geschichte von Wichern erzählt.“
Seelsorgerin, Bericht Herbst 2024 vom Barkassenbesuch

„Er ist mit 15 Jahren mit seinem Vater schon an Bord gegangen und macht es nun schon 40 Jahre und eigentlich immer gern. Aber nun hat er das Gefühl, dass sich KEINER für die Belange der Binnenschiffer interessiert.“
Seelsorgerin, Bericht Herbst 2024 vom Barkassenbesuch

Das Bordleben steht nicht still – die Zukunft

Wir stellen wir uns auf die internationaler werdenden Besatzungen ein und arbeiten daran, unser Angebot noch wirksamer für die Menschen an Bord zu gestalten. So denken wir über telefonische bzw. online-basierte Erreichbarkeit in mehreren Sprachen nach. 

Dazu gehört auch die Beachtung von evangelischen und katholischen Feiertagen. Zu besonderen Festtagen fährt ein katholischer Geistlicher mit.

Da die Gruppe der Binnenschiffer keine Lobby hat, möchte die Flusi ihre Stimme in ihren Netzwerken laut werden lassen: „Alles was Geräusche macht, ist gut für uns.“
Zitat, ein Reeder